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Defilee auf der Frauenfelder Allmend vom 11. Oktoer 1856 zum Abschluss des Truppenzusammenzuges Ost des Jahres 1856.

Gemälde von Johann Amstutz, Oberstdivisionär, Rechtsanwalt und Notar in Bern, 1819 bis 1984.

Auf dem Bild erkennt man im Hintergrund über den bewaldeten Abhängen das Schloss Wellenberg, das Plättli und Oberkirch; rechts die Stadt. Da eben im Jahr vorher die Bahnlinie durch das Thurtal eröffnet worden war, versäumte der Maler nicht, einen Zug mit langer weisser Rauchfahne vorbeifahren zu lassen. Vorn in der Bildmitte sehen wir Oberst Ed. Ziegler, den Höchstkommandandierenden des Truppenzusammenzuges, zu Pferd. Neben ihm reitet auf einem Schimmel der eidgenössische Inspektor, Oberst Egloff, gefolgt von seinem Adjutanten, dem Maler des Bildes. Der Chef des Stabes des Höchstkommandierenden, Oberst von Salis, blickt sich nach den rechts kommenden fremden Offizieren um, die von Schweizer Offizieren und einigen Lanzenreitern, die wohl Ordonnanzdienste besorgt haben, begleitet sind. Diese drei Offiziere im Generalsrang, di nach der Armee-Einteilung 1856 die V., VI, und VII. Division befehligten, sind durch den dunkelgrün schillernden Federbusch, die Schärpe an Stelle des Leibgurtes und die goldberandete Schabracke gekennzeichnet. Die gleichen Auszeichnungen tragen ausser ihnen noch die Chefs des West- und Ostkorps, die Obersten Barmann und Funk, nach Armee-Einteilung Kommandanten der 3. Brigade der II. und der 7. Brigade der III. Division. Im übrigen sind im Vordergrund Offiziere aller Waffengattungen in lebhafter Bewegung dargestellt, so Kavallerieoffiziere in dunkelgrünem, karminrot eingefasstem Rock mit Raupenhelm, Stabsoffiziere im Zweispitzhut und ein himmelblau gekleideter Militärarzt. Rechts wird im Galopp eine 6-Pfünder-Kanone herbeigeführt. In der Mitte sehen wir Infanterie in Marschkolonne, voran zwei bärtige Sappeure mit weissem Lederschurz, hohen Bärenfellmützen und blanken, geschulterten Äxten. Es war dies eine eigenwillige Gesellschaft, die eifrig auf ihrem Privileg einer besonderen Znüniverpflegung beharrte. Weiter die Tambouren, angeführt von einem baumlangen Tambourenmajor mit grossem Taktstock mit silberner Kugel. Hinter den anmarschierenden Infanteristen sind in langen Linien Truppen zur Inspektion aufgestellt.

Vorwort

In unserer Zeit der rasenden Entwicklung auf allen Gebieten erscheint die Zeit vor hundert Jahren seltsam fern. Das Manöverbild von 1856 könnte – wenn nicht im Hintergrund die Eisenbahn so fortschrittsstolz ihre Rauchwolke auspufte – nach unserem Gefühl nochmals um hundert Jahre älter sein.

Blicken wir auf die alte Artillerie von damals zurück, so stellen wir eine nur allmähliche und sehr gemächliche Entwicklung fest. Erst mit der Militärorganisation von 1905 kam nach langen Mühen etwas Zug in die Sache. Auch die Artillerie profitierte von diesem neuen Elan. Die dasach eingeleitete Umbewaffnung sollte uns noch durch zwei Weltkriege hindurch das Material stellen. Wenn auch allgemein ein frischer Wind zu spüren war, so blieb doch jede Truppengattung eng auf sich selbst beschränkt. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Waffen blieb blosse Theorie, selten einmal durch Mänöver, wie etwa die Kaisermänöver von 1912, unterbrochen. Der erste Weltkrieg brachte endlich die Ausbildung auf die Höhe der Zeit. General Wille, wie mancher hohe Offizier in Führerstellung selbst Artillerist, verstand es, aus unserer Armee, die im Ausland spöttisch als die lustige Miliz angesprochen wurde, ein brauchbares Kriegsinstrument zu schaffen.

Nach der Völkerbundszeit und seiner pazifistisch-utopischen Welle der Wehrmüdigkeit brachten die späten dreissiger Jahre ein Wiederaufleben. Unser Volk entdeckte wiederum den Wert der Landesverteidigung gegenüber einer konkreten Gefahr. Doch war es für viele Dinge zu spät; die seit langem dringliche Umbewaffnung der Artillerie war nur zu einem kleinen Teil verwirklicht.

Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurden nun sehr konsequent und bestimmt durch Neubewaffnung und Motorisierung Feuerkraft und Beweglichkeit vergrössert; bei der Kampforganisation wurde mit aller Energie die enge Zusammenarbeit mit der Infanterie angestrebt und erreicht.

Mit der Truppenordnung 1961 wurde nur ein momentaner Stillstand in zwei divergierenden Entwicklungsrichtungen erreicht: Einerseits wurde die Schlagkraft der frontnahen Artillerie und ihre enge Verflechtung mit den unterstütztenden Infanterie- und Panzerverbänden verstärkt; anderseits musste schweren Herzens auf die Korpsartillerie mit weitreichenden Feuermitteln verzichtet werden.

Die immer rapider verlaufende Entwicklung der Kriegstechnik stellt uns in immer rascherer Folge neu zu lösende Aufgaben: Wir müssen weiter schiessen als bisher; wir müssen gepanzerte und mechanisierte Ziele mit Erfolg bekämpfen, es braucht grössere Kaliber und viel schwerere Granaten, es braucht angesichts eines immer möglichen atomaren Krieges auf dem Gefechtsfeld Panzerschutz auf Gleisketten zum Tragen und Bergen von Rohr und Mannschaft.

Es wird also auf dem hundertjährigen Waffenplatz Frauenfeld nicht ruhiger werden. Allerdings wird er wegen des engbegrenzten Zielraumes ein Übungsgebiet für leichte Artillerie bleiben. Aber auch diese wird, wenn auch in ferner Zukunft, selbstfahrend werden. Ich hoffe, dass das so gastfreundliche Thurgauervolk aus der näheren und weiteren Umgebung des Waffenplatzes aus Einsicht in die Erfordernisse, die eine schlagkräftige Landesverteidigung an unsere Waffe stellt, auch weiterhin seinen Waffenplatz mit Stolz beherbergen und fördern wird.

Der Waffenchef der Artillerie

Oberstdivisionär Petry

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Wappen der Stadt Frauenfeld: „Fräuli mit dem Leuli“
Das Schild hängt über dem Hauptportal der Kaserne.

 

Die Vorgeschichte

Um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts, unter der Herrschaft der alten Voderladergeschütze, hielten die ostschweizerischen Artilleriekontingente ihre Übungen auf den Allmenden bei Zürich, St. Gallen, Aarau und Luzern ab. Geschossen wurde auf 1000 Schritt (750 Meter).

Mit der Einführung des gezogenen Vierpfündervorderladers anfangs der sechziger Jahre genügten diese damals ohnehin schon engen Plätze nicht mehr. Die praktische Schussdistanz des neuen Geschützes reichte bis 3500 Schritt. Überdies verlangte ein kriegswirkliches Manövrieren ein ausgedehntes Exerzierfeld.

Ein Artilleriewaffenplatz in der Ostschweiz entsprach einem dringenden Bedürfnis. Eine weitere Belegung der Hauptplätze Thun und Bière kam aus Platzmangel und der hohen Transportkosten wegen nicht in Frage.

Die Sondierungen lokalisierten sich bald auf das Thurtal. Nebst Bischofszell und Weinfelden bewarb sich auch Frauenfeld um den Standort des Truppenübungsplatzes. Die Offerte der Stadt, unter Umständen einen Teil ihres Vermögens beizusteuern, wurde von den Bundesbehörden auf Anraten des eidgenössischen Artillerieinspektors Oberst Herzog, des nachmaligen Generals und Waffenchefs der Artillerie, gerne entgegengenommen. Die weite Ebene zwischen der Stadt und der Thur mit dem ansteigendem Hang auf dem rechten Flussufer als Zielwall war ein ideales Manövrier- und Schiessgelände. Frauenfeld, ein Tagesmarsch von den Kriegsdepots in Zürich entfernt, lag im Zentrum der artilleriestellenden Ostschweizer Kantone.

Mit der Festlegung des künftigen Übungsgeländes war die Schaffung von Unterkunft für Mann und Pferd notwendig.

Auch dazu bot Frauenfeld bereitwillig Hand. Sein Interesse war allerdings nicht so selbstlos; eine bestimmte Absicht lag im Plan: Um dem Hauptort des Thurgaus mehr Gewicht zu geben, regte die Stadt seit 1850 den Bau einer kantonalen Kaserne an. Frauenfeld würde dadurch seinen Einfluss vermehren, sein Übergewicht verstärken und seine immer noch gefährdete Stellung als Hauptort des Kantons festigen, heisst es in einer Eingabe an den Verwaltungsrat der Bürgergemeinde. Die Regierung verzichtete aber aus ökonomoschen Gründen die zentrale Ausbildung ihrer Milizen.

Zum anderen fanden in Frauenfeld keine eidgenössischen Schulen und Kurse statt, da eine ordentliche Unterkunft fehlte. Die Stadt, als ehemaliger Landvogteisitz und Tagsatzungsort eng mit der Bundesregierung verbunden, fühlte sich gegenüber Zürich, St. Gallen, Schaffhausen, Aarau und Winterthur benachteiligt.

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Reproduktion eines Ausschnittes der topographischen Karte des Kantons Thurgau, aufgenommen von Ingenieur-Hauptmann Sulzberger, 1830-1868

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Artilleristen, um 1850, Reproduktion einer Lithographie von E. Wolf (Original Eidg. Militärbibliothek, Bern)

Als nun die Eidgenossenschaft einen Artilleriewaffenplatz suchte, ergriff die Stadt die Initiative zum Bau einer Kaserne auf eingene Rechnung, um sich die unverhoffte Gelegenheit, eidgenössischer Waffenplatz zu werden, nicht entgehen zu lassen.

Da die Bürgergemeinde nach damaliger Ordnung Trägerin der öffentliches Interessen war, die Ortsgemeinde kein Vermögen besass und mit einer Beteiligung des Kantons nicht gerechnet werden konnte, stand fest, dass das Werk nur durch die Bürgergemeinde erstellt werden konnte.

Nachdem man die Zusicherung des Bundesrates erhalte hatte, dass für den Fall einer ausreichenden Kasernenbaute, Artilleriekurse nach Frauenfeld verlegt würden, hiess die Bürgerversammmlung vom 07. April 1861 den Antrag gut, eine Kaserne zu bauen.
Der Ausschuss des „Comités zur Betreibung der Kasernenbaute in Frauenfeld“, Bezirkstatthalter Debrunner, Fürsprech Anderwert und Zeughausverwalter Nather, berechnete die Anlage auf 170’000 Franken, wobei mit 80’000 Franken freiwilliger Beiträge gerechnet werden durfte.

Die Unterhandlungen mit den Bundesbehörden gingen jedoch weit über den ersten Vorschlag hinaus. Die von den eidgenössischen Experten Oberst Wolff, Oberstlt Fornaro und Major Kindlimann aufgestellten Bauprogramme bezifferten sich auf 476’000 Franken. Trotzdem ermächtigte die Gemeinde mit nur sechs Gegenstimmen am 30. April 1862 den Verwaltungsrat zur unbedngten Ausführung des ganzen Projektes und zur Kontrahierung einer Anleihe von 400’000 Franken.

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Vierpfünder-Vorderlader, Ordonnanz 1862, gezogenes Broncerohr, Kaliber 8,4 cm, Lafette aus Eisenblech, Geschossgewicht 3,9 kg, Gewicht der Ladung 625 gr. Höchstschussweite 2400 m.

 

Der Baubeginn

Frauenfelds lang gehegter Wunsch, eidgenössischer Waffenplatz zu werden, ging in Erfüllung. Am 21. März 1863 wurde der Grundstein gelegt. Dieser Stein befindet sich unter der Schwelle des Hauptportals. Die Stallungen und Reitbahnen wurden bereits ein Jahr später unter Dach gebracht. Der ganze Komplex konnte 1965 dem Bund übergeben werden.

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Doppel der im Grundstein eingemauerten Urkunde

Die Kaserne steht

Die erste Bauabrechnung schloss mit einer Gesamtausgabe von 730’599 Franken. Der Kostenvoranschlag wurde um mehr als eine Viertelmillion überschritten. Es ist allerdings zu bemerken, dass alle wöhrend der Bauperiode gewünschten Verbesserungen und Erweiterungen in anerkennungswerter Weise erfüllt wurden.

Trotz der drückenden finanzielles Last glaubt man ein befriedigendes Aufatmen des StadthDarstellung der Waffenplatzfrage abschliessend schrieb: „Diesem Missverhältnis zwischen den aufgewendeten Kosten und dem jährlichen Erträgnis stellt sich aber die Tatsache gegenüber, dass durch den Bau der Kaserne Frauenfeld ein Ort von eidgenössischer Bedeutung geworden und in den Kreis allgemein schweizerischen Lebens gezogen, erst recht als Mittelpunkt des politischen und nationalen Lebens für den Kanton anerkannt ist.“

Der Bund bezahlte eine Jahresmiete von 13’500 Franken für eine Vertragsdauer von fünfzehn Jahren. Er überliess der Bürgergemeinde den Pachtzins der Kantine. Dem Kasernenwirt musste 1867 bezahlt werden: für Instruktoren und Offiziere für Logis und Beleuchtung pro Mann und Tag 40, für den Soldaten 15 Rappen, für Verpflegung der erstern 2 Franken und der letztern 1.40 Franken. Dafür erhielt der Soldat (1868) täglich 6/8 Pfund Fleisch, 11/2 Pfung Brot, Gemüse und 2 Schoppen Wein.

Die Bürgergemeinde hatte das ausschliessliche Recht, Geschosse gegen eine Vergütung von 40 und 25 Rappen, je nach Kaliber, einzusammeln. Sie hatte jährlich 75 Prozent der verschossenen Munition dem Bund abzuliefern.

Die erste Rekrutenschule

Von der ersten Rekrutenschule auf dem Waffenplatz finden wir folgende Notizen.

„Morgen Sonntag, den 10. Mai, wird hier die Eröffnung der ersten eidgenössischen Artillerie-Schule beginnen, welche für dieses Jahr während sechs Wochen ohne Unterbruch den thurgauischen Hauptort beleben wird.

Die Mannschaft besteht aus Cadres und Rekruten von Zürich, Luzern, Solothurn und Baselland, deren Stärke auf 280 bis 300 Mann angenommen ist. Dieselbe wird Sonntag mittags per Eisenbahn einrücken. Man verspricht sich hier zahlreiche Besuche aus der Nähe und Ferne; Artillerie-Übungen sind eben im Thurgau etwas ganz Neues, denn von 1799 bis 1847 ging in diesem Kanton nicht ein einziger Kanonenschuss. Ohne Zweifel werden schon nächsten Sonntag bei schöner Witterung zahlreiche Scharen aus der Umgebung bei der Hauptparade erscheinen und ihre Freude über die glückliche Errungenschaft des Thurgaus zur Schau tragen.“

Wollte ein Jungmann bei der Artillerie eingeteilt werden, hatte er sich vor der Musterung beim kantonalen Waffenkommandanten zu melden. Die Aushebung war Sache der Kantone; der Bund setzte nur die Bedingungen für die Einteilung der Wehrpflichtigen fest. Ein Artillerist musste nicht bloss kräftig, intelligent und mindestens 166,5 cm gross sein, sondern auch lesen, schreiben und in den vier Grundoperationen rechnen können. Die Trainrekruten hatten mit der Behandlung von Pferden vertraut zu sein.

Bevor die Rekruten in eine eidgenössische Schule aufgeboten wurden, hatten sie ein Jahr zuvor auf den kantonalen Exerzierplätzen an mehreren Tagen Soldatenschule erhalten.

Bis 1874 war es Sache der Kantone zu entscheiden, ob die Kosten der Bekleidung, Bewaffnung und Ausrüstung von den Wehrpflichtigen selbst zu tragen oder teilweise vo der kantonalen Staatskasse oder der betreffenden Gemeinde zu bestreiten seien. Im Thurgau hatte 1864 ein Artillerist 98.90 Franken, ein Trainsoldat 136.90 Franken für Bewaffnung und Ausrüstung zu bezahlen. Vom Totalbetrag von 151.65 respektive 216.65 Franken übernahm der Kanton den Rest.

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Schiessschule auf dem „Mätteli“, Photographische Aufnahme aus dem Jahre 1866.

Der Rekrutenunterricht bestand aus folgenden Fachgebeieten:

  • Kanoniere:
    Pelotonschule
    innerer und äusserer Wachtdienst
    Gymnastik
    Kenntnis des Materiellen und der Munition
    Bedienung von Feld- und Positionsgeschütz
    Batterieschule und Zielschiessen nach vorausgegangenem Unterricht in der Geschützrichtungsschule, wobei auch das Distanzenschätzen und das Arbeiten des Feldschanzenbaus nicht vernachlässigt wurden.
  • Train:
    Stalldienst
    Geschirr- und Pferdekenntnis
    Reit- und Fahrschule
    Voltigieren
    Batterieschule

Dann für die gesamte Truppe vereint, Märsche mit Überwindung von Terrainhindernissen verbunden mit taktischen Übungen und Schiessen auf unbekannte Distanzen.“

1869 wurde die Militärhygiene in den Instruktionsplan aufgenommen. Die Begründung ist ein pikantes Zeitdokument: „Es kann gewiss nur höchst zweckmässig sein, wenn nicht wie bisher bloss in der Wartung der Pferde unterrichtet, sondern jeder Rekrut zuerst über die Wartung und Pflege senes eigenen Körpers belehrt wird, eine Belehrung, welcher es im bürgerlichen Leben gewöhnlich so sehr entbehrt, dass die Militärhygiene, indem sie dieselbe (Hygiene) erteilt, dem Rekruten auch für dieses (bürgerliche Leben) nützlich sein wird.“

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Schwere Feldkanone 10,5 cm, Ordonnanz 1866, Stahlrohr mit Keilverschluss, Geschossgewicht 7,85 kg, Gewicht der Ladung 1062 g.

Über den ersten AUsmarsch der Rekrutenschule wird berichtet:

„Die in Frauenfeld befindliche Artillerie-Rekrutenschule trat mit zwölf Geschützen einen Übungsmarsch an, der sie nach Pfyn, Liebefels, Mammern, Stein am Rhein und Diessenhofen und von da über Stammheim am Samstag Mittags bei sengender Sonnengluth hieher zurückführte. Überall, wo die stattliche Kolonne durchzog, ruhte die Arbeit, und wo sie sich aufhielt, wie in Stein zur Mittagsrast, und in Diessenhofen, wo bivakiert wurde, gestaltete sich die Freude über den seltenen eidgenössischen Besuch zu wahren Volksfesten. In Stein, wo der grüne krystallenen Rhein zweimal überschritten wurde, bildeten bei der Rückkehr auf das linke Ufer die Kadetten über die Brücke Spalier, und Diessenhofen bewirthete seine Gäste, die ihr Bivuak an der Schaffhauser Strasse unter dem herrlichen Laubdache der „Klosterlinde“ oberhalb St. Katharinenthal aufgeschlagen hatten, mit Ehrenwein, und sandte seine Stadtmusik und die Sänger in das Lager, wo sich ein buntes, klingendes, munteres Leben entwickelte, das erst erlosch, als die Sonne schon längst im Westen zur Ruhe gegangen und über den dunklen Tannen des „Schaarenwaldes“ die Goldgluth dieses schönen Abends bis auf den letzten Schimmer verglommen war.“

Nach zweiundvierzigtägiger Ausbildungszeit wurde die Schule durch den Waffenchef inspiziert. Darüber die Notiz:

„Am 19. und 20. fand die Inspektion der ersten unter der Leitung des Obersten Borel stehenden Artillerie-Rekrutenschule statt. In Begleitung des Oberst Artillerie-Inspektors Herzog beehrte der würthembergische Artilleriegeneral Bauer die Schlussübungen mit seiner Gegenwart. Er soll sich sehr befriedigt über die Resultate einer nur sechswwöchigen Instruktion geäussert haben.“

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Das Übersetzen über die Thur bei der Ochsenfurt hatte wegen des wechselnden Wasserstandes oft seine Tücken.

Der Waffenplatz geht an den Bund über

Im Laufe der Zeit wurden Erweiterungen, wie der Bau eines Zeughauses neben der Kaserne, und Landerwerbungen, unter anderem das „Mätteli“, dringlich. Zu dieser Vervollständigung des Waffenplatzes bot die Eigentümerin stets bereitwillig Hand, allerdings gegen eine Erhöhung des jährlichen Pachtzinses auf 20’800 Franken für eine Vertragsdauer bis 1888.

Die Ausgaben häuften sich aber jedes Jahr derart, dass die Bürgerschaft ernstlich an eine Reorganisation ihrer Finanzen und an den Verkauf der Kaserne an den Bund dachte. Das Gesaamtanlagekapital wuchs bis Ende 1884 auf 937’000 Franken an; die durchschnittliche Rendite betrug jährlich nur 19’000 Franken.

In dieser Situation gelangte der Verwaltungsrat in den Jahren 1882/83 um käufliche Übernahme an den Bund. Seit der Erstellung der Kaserne habe sich die Bürgergemeinde in ihren Finanzen möglichst eingeschränkt, seit 1870 für gemeinnützige und andere öffentliche Zwecke gar nichts geleistet und sei gleichwohl mit so grosser Verbindlichkeit belastet, dass sich die Oberbehörden zur Mahnung besserer Ordnung der Finanzen veranöasst fänden.

Die vom Bürgerpräsidenten und Regierungsrat Oberst Vogel und Major Wehrli geführten Unterhandlungen kamen 1885 zum Abschluss. Die Bürgergemeinde trat das gesamte Waffenplatzunternehmen zu einem Kaufpreis von 620’000 Franken auf den 01. Januar 1886 an den Bund ab.

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Bahnhof und Kaserne Frauenfeld, um 1880

Das Übungsgebiet

Das Exerzierfeld auf der Allmend, über die einst römische Legionen von Vitodurum (Winterthur) Ad fines (Pfyn) auf der gepflasterten Heerstrasse kreuzten, hatte zu Beginn ein Ausmass von 134 Jucharten. Vom Ziel weg am Gitzirain unterhalb des Pfyner Hohlweges war es auf eine Länge von 1’100 Metern 200 Meter breit; von da auf eine Distanz von 1’900 Metern auf 400 Meter verbreitert; anschliessend in der Verlängerung bis auf 2’400 Meter dagegeb nur noch 100 Meter breit. Die Schusslinie war 500 Meter herwärts des Scheibenrains alle Hektometer durch Distanzsteine markiert.

Beim „Polygon“ standen das Pulvermagazin, das Laboratorium für die feuerwerker, ein gedeckter Platz für die Pferde, ferner eine Offizierskantine und ein Mannschaftsspeiseraum mit Küche, da die Truppe über Mittag nicht in die Kaserne einrückte.

Das Zeigerhaus am Ziel und das steinerne „Blockhaus“ im Gitzi vervollständigten die Zahl der Gebäude auf der Allmend.

Die Thur war damals noch nicht gebändigt. Das alljährliche das Übungsgelände überflutende Hochwasser machte es nur beschränkt benützbar. Ein zusätzliches Manövrierfeld auf der Kurzdorfer Allmend wog diesen Übelstand einigermassen auf.

Durch die häufigen Fahrübungen war der Boden auf der Grossen Allmend so grundlos geworden, dass die Pferde im Morast steckenblieben. Wassertümpel und Gräben machten das Gelände unbrauchbar. Abhilfe schafften im Zuge der Thurkorrektion die Ableitung aller Wasserrinnen, Terrainausebnungen und eine Verbreiterung des Schiessplatzes in südöstlicher Richtung.

Ihre eigene Geschichte hat die Ochsenfurt. Sie war ein jahrhundertealter Flussübergang auf dem kürzesten Weg zwischen Frauenfeld und Herdern, auf dem sich der Verkehr zwischen diesen beiden Ortschaften abgewickelt hatte bis 1865 eine hölzerne Brücke bei Rohr den Fluss überspannte. 1871 wurde eine Fähre eingesetzt. Den Betrieb besorgte der Scheibenwart. 1899 wurde die Fähre durch einen eisernen Steg ersetzt.

Mit dem Eigentumsübergang des Waffenplatzes an den Bund wurden Teile der Grossen Allmend erworben und der Besitz auf die nördlich der Thur gelegenen Uferböschungen zwischen dem Gitzi- und dem Seebach ausgedehnt.

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Exerzier- und Schiessplatz, 1886, Die Thur und der Unterlauf der Murg sind bereits korrigiert;
der Hochwasserdamm hingegen noch nicht aufgeschüttet (Reproduzierter Kartenausschnitt aus dem Siegfried-Atlas, 1880)

Im Laufe der neunziger Jahre wurde das Exerziergelände bis an die Murg verlängert und jenseits der Thur der ganze Hang mit der bewaldeten Kuppe von Mettlen erworben.

Mit der Einführung der 7,5-Zentimeter-Feldkanone und dem Schiessen mit Richtinstrumenten aus Feuerstellungen hinter Dekungen und Masken wurden die Verhältnisse auf dem Schiessplatz wieder prekär.

Während die Schussweiten immer grösser wurden, verkleinerte sich das zur Verfügung stehende Übungsgelände. Das Streue- und Überschwemmungsland längs der Thur zwischen Ochsenfurt und Horgenbach war nur extensiv bewirtschaftet und konnte ohne Schaden durch die Truppe benützt werden. Meliorationen und der Bau des Hochwasserdammes führten nach und nach zur intensiven Bebauung des Thurvorlandes und damit zu dessen Verlust für militärische Zwecke.

Die Botschaft des Bundesrates vom 20. Mai 1908 betonte die obwaltigen Schwierigkeiten und verlangte die Erwerbung eines günstigeren Schiessplatzes im Raume Kloten-Bülach. Gleichzeitig wurde aber beschlossen, auch den Waffenplatz Frauenfeld so zu erweitern, dass er nicht nur elemntaren Lehrschiessen, sondern auch für den Teil der angewandten Übungen genügte. In den Jahren 1909/10 konnten die Gebiete westlich des alten Exerzierplatzes und jenseits der Murg bis zum Galgenholz aufgekauft werden. Das bundeseigene Land betrug 1930 310 Hektaren.

Bis dahin wurde aus feldmässigen Stellungen südlich von Hüttwilen und Stammheim in das Seen- und Moorgebiet des Nussbaumer-, Steinegger- und Hasensees geschossen. Aus Sicherheitsgründen und Naturschutzbestrebungen musste auf dieses Zielgebiet verzichtet werden.

Die Waffenplatzservitute reichen bis 1870 zurück. Unter Anwendung verschiedener Vertragstypen mussten sie im Laufe der Jahre auf 115 Hektaren im Gemeindebann Pfyn liegendes Kulturland errichtet werden. Für die gefährdeten Waldgebiete wurden keinerlei Servitute vorgesehen. Eine zivile oder Militärkommission schätzte von Fall zu Fall die Waldschäden ab.

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Erweiterte Schiessplatz, 1930. Der Hochwasserdamm schützt weitgehend das Übungsgelände (Reproduzierter Kartenausschnitt aus dem Siegfried-Atlas, Nachtrag 1928)

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Artilleristen 1862, Reproduktion einer Lithographie von Charles Perron (Original eidg. Militärbibliothek, Bern)

Die bauliche Entwicklung der Kasernengebäude

Trotz einer vermehrten Belegung der Kaserne wurde die Unterkunft für die Truppe nicht wesentlich erweitert. Wohl den besten Beweis für die Sparsamkeit ist die Tatsache, dass erst 1905 die Gasbeleuchtung allgemein installiert wurde, obwohl die Stadt seit 1875 über Gas verfügte. 1917 wurde das elektrische Licht eingerichtet. Die grössten Gesamtausgaben erfoderten die Jahre 1923 bis 1925, als man die durch Internierte eingeschleppte Wanzen vertreiben musste.

Fast siebzig Jahre hatte die alte Kaserne mit ihrem schon arg verwitterten rötlichen Verputz, den beiden halbgotischen Türmchen mit den nicht mehr schlagenden Glocken, der blauen Uhr, die selten recht ging, den ausgetretenen Treppen und den engen Räumen gedient. Manchen Sturm hatte die Kaserne erlebt und manches Kommando gehört, aber moderner war sie nicht geworden. Es wird berichtet, Bundesrat Minger habe sich respektvoll vor der Bescheidenheit der Frauenfelder Instruktoren verbeugt.

Der Erfolg war denn auch entsprechend. Am 18. Septemer 1931 bewilligten die eidegnössischen Räte einen Kredit von 550’000 Franken für den Umbau und die Erweiterung. Sämtliche Fassaden wurden renoviert, die Sandsteindekoration entfernt, die Fensterverkleidung in geradlinigen Formen erneuert. An den bahnwärts gelegenen Seite wurde ein Stück der Stallungen abgebrochen und ein grösserer Nordflügel an das Hauptgebäude angesetzt. So wie der Bau sich heute noch präsentiert wurde er als „so flotter, sachlicher und sicher dauerhafter Bundesstil“ gefeiert. Die Zeit hat dem damaligen Zeitungsreporter recht gegeben. Heute ist die Kaserne im Innern wiederum wie neu.

1947 fand die letzte Rekrutenschule für pferdebespannte Batterien statt. Aus den Stallungen und Reitbahnen wurden Garagen, Theoriesäle, Magazine und Einstellhallen. Die Schmiede wurde bis zum Neubau des Armeefahrzeugparks (1958 bis 1960) als Motorfahrzeugreparaturwerkstätte verwendet. Der Krankenstall war vorerst Betriebsstoffmagazin; nach einem Vollständigen Umbau steht ein stattliches Gebäude mit modernen Büros und Theorieräumen zur Verfügung.

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10,5 cm Positionsgeschütz, Ordonnanz 1869/79
Bronzerohr mit Keilverschluss und kupferner Ausbüchsung des Laderaumes.

Kanonierlied

„Auf, auf ! Ihr wackeren Kanonier‘!
Schon tönt Trompetenton;
Frisch auf! Ins Feld und in die Batt’rie,
In brüderlicher Harmonie
Zu Haubitz‘ und Kanon‘!

Mit Doppelschritten aufmarschiert;
Halt ! Front ! Die Köpfe hoch !
Schnell, wie der Wind, euch equipirt,
Protzt ab ! In Action ! Chargirt !
Blitzschnell und schneller noch.

Kreuzbrave Brüder stutzet nicht,
Wenn die Gefahr bricht ein,
Wenn sich der feind uns trotzig stellt,
Wenn’s warm wird, eine Linie fällt,
Wir müssen Sieger sein.

Dergleichen Kanoniere sind
Führwar viel Goldes werth;
Da, bei dem Schweife der Laffet?
und bei dem Blasen der Trompet‘,
sind’s würdig, dass man’s ehrt.

Kanonedonner, vivat hoch !
Es lohnt sich wohl der Müh‘;
Ja, Brüder, welche Herrlichkeit !
Jauchzt, dass man’s höret weit und breit :
Vivat Artillerie !“

(Textdichter unbekannt)

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7,5 cm Feldkanone, 1903. Erstes Schnellfeuergeschütz mit Rohrrücklauf. Patroniertes Geschoss mit Einheitsladung. Grösste Schussweite 5’700 m.

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Artillerieoffizier, Reproduktion einer Lithographie von Charles Perron (Original eidg. Militärbibliothek, Bern)

Das heutige Waffenplatzgebiet

Um den Bau des interkontinentalen Flughafens Zürich-Kloten im Jahre 1946 zu ermöglichen, erklärten sich die eidgenössischen Räte mit der Abtretung des Artillerieschiessplatzes Kloten-Bülach an den Kanton Zürich einverstanden. Als ein Ersatz dafür nicht gefunden werden wollte, entschloss man sich zur Erweiterung der bestehenden Artilleriewaffenplätze, was zu namhaften Landankäufen seit Beginn der fünfziger Jahre führte. Um den Waffenplatz überhaupt noch für die ARtillerie erhalten zu können, wurden Stellungsraum und Zielgebiet vergrössert. Der heutige Besitz ist auf 460 Hektaren, wovon rund 120 Hektaren Wald, angewachsen.

Der Ochsenfurter Steg wurde 900 Meter flussabwärts versetzt, das alte Fährhaus aus dem Jahre 1865 abgerissen. Eine geräumige Geschützhalle wurde an der Murg errichtet. Eine Umfahrungsstrasse durch das Galgenholz leitet den Verkehr Frauenfeld- Stammheim um den Stellungsraum, so dass das Schiessen nicht mehr unterbrochen werden muss.

Die Servitutsgebiete mussten aus Sicherheitsgründen ausgedehnt und die Waldungen in die gefährdete Zone mit einbezogen werden.

Wie früher schon andere Truppengattungen zum Dienst nach Frauenfeld einrückten, so wird die Allmend heute von Wiederholungskurstruppen der Panzerwaffe benützt.

Zum Ausklang

Die Geschichte des Waffenplatzes Frauenfeld trägt den Stempel des Fortschritts. Die Artillerie hat ihr Gesicht vollständig gewandelt. Es gibt nichts, das an die alten zeiten erinnert. Die alten Geschütze und die Pferde sind verschwunden, das Schiessen ist anders geworden, der Aufbau und die Mittel der Übermittlung sind neu, die Organisation ist vollständig verändert, der taktische Einsatz anders. Was geblieben ist, das ist der gute Geist der Artillerie.

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Schwere Feldhaubitze 15 cm, 1916.
Geschossgewicht 42 kg, 7 Teilladungen, Gebrauchsschussweite 1’000 bis 8’500 m.

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Heutige Ausdehnung des Übungsgeländes 1965 (Ausschnitt aus der Landeskarte der Schweiz, Ausgabe 1957)